Wird die ‚bürgerliche Koalition‘ in Berlin für Chancengleichheit sorgen, wieso sollte sie?
Sonntag, 2. Mai 2010, 17:31
Abgelegt unter: Regierung

Der Guido und die Angela und ihre ganze Clique waren ja unheimlich froh, dass sie nun endlich die von ihnen gewünschte ‚bürgerliche Koalition‘ zur Regierung bringen konnten. Was bedeutet dass für Menschen mit einer Herkunft aus ‚unteren‘ sozialen Schichten?
In Deutschland sind die sozialen Milieus immer noch ziemlich geschlossen:http://www.spiegel.de/unispiegel/jobundb…http://www.stern.de/wirtschaft/arbeit-ka…
(Arbeiterkinder bekommen bei gleicher Leistung die schlechteren Noten. Im oberen Management in der Wirtschaft sitzen fast nur Leute, deren Eltern auch schon wohlhabend waren, d.h. ‚befördert‘ wird nach ganz oben meist nicht nach Leistung, sondern nach ‚Klassenzugehörigkeit‘.usw.)
Nun ist also auch offiziell in der Bundesregierung wieder die ‚bürgerliche‘ Klasse am Ruder. Wieso sollten ausgerechnet Leute, die sich auch noch auf ihre Zugehörigkeit zur oberen Schicht der Gesellschaft berufen, für mehr Durchlässigkeit bei der sozialen Schichtung sorgen, wo doch ihre ‚Klassenkameraden‘ in der freien Wirtschaft auch schon das Prinzip der geschlossenen Gesellschaft vorleben?
Ihr ahnt es schon, meine Herkunft ist eher aus einem unterschichtigen Milieu, auch ich kann über Klavierstunden, einem Schuljahr im Ausland, Segeltörns in der Karibik oder Opernarien in Wien nicht mitparlieren, weil ich sie nicht erlebt habe. Das aber sind die ‚weichen‘ Kriterien, nach denen die bürgerliche Klasse entscheidet, wer dazu gehört, wer einen Platz im oberen Management verdient hat usw. Dadurch entstehen krasse Managementfehler, weil man sich dort nicht auf Tatsachen verläßt, sondern danach entscheidet, mit wem man gut kann. Siehe z.B. die derzeitige Bankenkrise…
Was hat die Koalition in Berlin eigentlich geritten, sich so einen Begriff aus der ‚Klassenlehre‘ auf die Fahnen zu schreiben? Wollen die jetzt unverblümt ‚Klassenkampf‘ von oben? Vertreten sie überhaupt die Mehrheit der Bevölkerung (= Arbeiter und einfache Angestellte)? Kann ich mich von solchen Leuten, die ihre Kindheit mehrheitlich im Häuschen mit Vorgarten und nicht im sozialen Wohnungsbau verbracht haben, überhaupt vertreten sehen, wenn, wie oben beschrieben, einfache psychologische Mechanismen die Klassenzugehörigkeit ‚festzurren‘? Und was ist dann mit dem Gleichheitsmythos der ‚freien demokratischen Grundordnung‘?


2 Kommentare bisher • RSS-Feed für KommentareTrackBack URI

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  • Schleier des Nichtwissens sagt:

    Naja, so einfach ist es nicht.
    Ein erheblicher Anteil der linken Reformer der Geschichte stammten aus einem bürgerlichen, adligen und/oder zumindest wohlhabenden Elternhaus. Auch in früheren Zeiten war der Bundestag überrepräsentativ durch Akademiker besetzt.
    Hinzu kommt: Es mag gut begründbare Argumente geben, dass die FDP eine Klientel-Partei ist. Aber man sollte die ethischen und strategischen Überlegung Andersdenkender ernst nehmen: Die FDP setzt auf Wirtschaftswachstum, auf Eigenverantwortung etc. Daher muss unter logischen Aspekten die Chancengerechtigkeit und damit die Möglichkeit, dass auch Nicht-Privilegierte den Aufstieg schaffen und zur Wirtschaftsleistung beitragen, zu ihren Interessen gehören.
    Wenn es ein Kennzeichen oberer Schichten wäre, egoistisch zu sein, warum sollten sie sich dann für Andere (wenn auch aus ihren Schichten) stark machen?
    Ich kenne einige Menschen aus in Deiner Diktion gehobenen Schichten. Ein Großteil strebt nicht nach Abgrenzung nach unten und einige haben auch nicht „bürgerlich“ gewählt, auch wenn das aus finanzieller Sicht sinnvoll gewesen wäre. Ich halte es ehrlich gesagt für einen Mythos, dass sich die Mehrheit der wohlhabendere Menschen über ihre Klavierstunden etc definieren.
    Es ist nicht ersichtlich, warum Menschen ‚gehobener‘ Gesellschaftsschichten nur ihre Interessen vertreten sollten, während die ‚Anderen‘ das Wohl Aller im Auge haben sollten.
    Abschließend: Mir geht es nicht um eine Verteidigung bestimmter Ansichten oder der Rechtfertigung von Klassendenken, aber Deine Frage ruft m. E. viele Fragen auf.
    Nachtrag: Vielleicht können wir uns darauf einigen, dass die neue Regierung dem Ziel der Chancengererechtigkeit nicht alles unterordnet. Dabei wäre zu bedenken, dass Chancengleichheit nur ein Gerechtigkeitsaspekt unter vielen (ebenfalls gut begründbaren) ist. Außerdem gibt es neben der Gerechtigkeit andere ebenfalls nachvollziehbare Ziele.
    Den Ansatz der unreflektierten Handlungsweise halte ich übrigens für sehr bedeutsam.
    Entscheidender aber ist vielleicht: Die in meinem Nachtrag dargestellten Denkweisen beschränken sich nicht auf die Oberklasse oder die intellektuelle Elite. Gerade wenn Du davon ausgehst, dass die Mehrzahl der Bevölkerung einem sozialen Milieu angehört, das unterdurchschnittlich repräsentiert wird, stellt sich doch die Frage, warum diese Leute die derzeitige Regierung gewählt haben. Meines Erachtens sind die Profiteure der neuen Regierung, zumindest nach Deiner Einschätzung, in der klaren Minderheit. Gewählt wurden sie von Anderen, die sich davon einen Vorteil versprachen oder ihre Wahl aus anderen, z. B. ethischen oder politischen Überlegungen begründeten.

  • Wilken sagt:

    Da wird nichts draus weil sie pleite sind.. Um wirklich Reformen zu machen brauicht man Geld, viel Geld.



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